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Zwei naturtrübe Apfelsaft, sechs Sojamilch und ununterbrochen die Zähne putzen

3. September 2011

“Alter, ich bin so ciao, mann, heut schon zwei Flaschen Jimmy zu dritt und Sixer Bier allein getrunkn unn´ die ganze Zeit Joints geraucht. Adem hatte richtiges Babba-Piece und ich hatte Zwanni Odd von Moe geholt, diese Killer-Orange Butt, was ich auch gestern hier dabei hatt´. Aber Zwanni is scho weg.” Er grinst mit seinen roten Augen, gelblich schimmern Zähne. “Auf jeden Fall, voll stoned und besoffen, yeeeah!” Er lässt sich wie einen Sack Kartoffeln in den freien Sessel fallen und lässt den glasigen Blick durch die kleine Runde schweifen. “Was los, Leute, warum kuckt ihr mich an, als hättet ihr noch nie ´nen druffen Mensch gesehn?” – “Also, von “nie” kann ja nun wirklich nicht die Rede sein, so oft wie du hier vorbeikommst, und uns genau die selbe Frage in genau dem selben lallenden Tonfall wie eben stellst, nachdem du uns geschildert hast, was du am jeweiligen Tag schon so alles an Betäubungsmitteln zu dir genommen hast.” – “Na, dann isses doch was ganz gewöhnliches für euch – so erkläret mir: weshalb dies verhaltene Kopfschütteln ob meiner Worte? Wollt ihr gar nicht wissen, was ich so gemacht hab, bevor ich vorbeikomme, und was ich mir alles gegeben hab?” – “Na ja, es wär einfach mal ´ne nette Überraschung, ab und zu mal zu hören: “Hey, ich hab mir jetzt vorgenommen, nur noch am Wochenende zu kiffen, damit es etwas besonderes bleibt!” Oder “Ey, ich hab seit einer Woche kein Alkohol mehr getrunken, seit ich mir diese Broschüren von der Suchtberatung geholt hab!” Der angesprochene kuckt skeptisch drein, während er den kritischen Tönen lauscht. “Aber stattdessen ist sehr viel wahrscheinlicher, dass du sowas sagst wie: “Hey, ich hab mir vorgenomm´ jetz´vor Schule immer schonmal die Joints für die Pausen vor zu drehen, damit ich danach immer noch Zeit für ´ne Kippe hab!” Oder “Ey, ich hab seit einer Woche nicht mehr geschlafen, seit ich mir am Samstag letzte Woche drei Gramm von diesem Pappa-Speed aus Bonames geholt hab! Oder…” – “Alles Klar, versteh schon!”, setzt der andere dem Gestichel ein Ende. “Ich soll euch also nicht mit Berichten über meinen Drogenkonsum belästigen. Und ihr würdet natürlich gerne hören, dass ich mich ändern will, gesünder leben will – Ok.” Die Verantwortung mit einer Geste von sich weisend, zieht er die Konsequenz aus dem ihm Vorgeworfenen. “Ich werd dann nächstes Mal, wenn ich von meinem Tag erzähle, alle Flaschen Wodka durch Maracujasaft, alle Whiskey durch naturtrüben Apfelsaft und alle Bier durch Sojamilch ersetzen, und anstatt zu sagen, dass ich ´nen Joint geraucht hab, sag´ ich, ich hab mir die Zähne geputzt. Kokainkonsum werde ich als Staubsaugen bezeichnen und Ecstasy nenn ich Vitamintabletten, damit ihr euch keine Sorgen macht. Würd euch diese Zensur reichen, oder erwartet ihr Aufrichtigkeit hinter meinen Worten?” – “Ich denke, in deinem Fall reicht es uns, wenn du uns die Chance gibst, dein Drogenproblem nicht sehen zu müssen, damit wir uns nicht schlecht fühlen, wenn du dann mit knapp Vierzig beerdigt wirst, weil wir nichts getan haben, was dich vor dem Drogentod hätte retten können, obwohl wir von deinem ungesunden Leben wussten.” Einen Grunzer aus den Tiefen seines Rachens hervorstoßend darauf der andere: “Ja, du mich auch.”

From → Kurzgeschichten

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