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Offener Brief an Unterstützer der Occupy-Bewegung in Deutschland

24. Juni 2012

Utopie und Möglichkeit
Zur Frage nach der moralischen Rechtfertigung scheinbar ziellosen Protestes

Liebe Unterstützer der Occupy-Bewegung in Deutschland,

ich wende mich an euch, um euch besser zu verstehen. Denn ich begreife euch nicht.
Euren Protest nenne ich “ziellos” – denn ihr scheint gegen alles rebellieren zu wollen, was den Status Quo in unserer Gesellschaft ausmacht. Lösungen, die ihr vorschlagt, sind aber allenfalls vage, hoffnungslos utopisch oder schlicht ungerecht.

Zu Rechten und Pflichten

Ihr wollt also, dass “Gleichheit, Fortschritt, Solidarität, kulturelle Freiheit, Nachhaltigkeit und Entwicklung, sowie das Wohl und Glück der Menschen […] als Prioritäten einer jeden modernen Gesellschaft gelten”.
Und ihr betont, dass unsere Gesellschaft gewisse Grundrechte zu gewähren hat: “das Recht auf Wohnung, Arbeit, Kultur, Gesundheit, Bildung, politische Teilhabe, freie persönliche Entwicklung und das Recht auf Konsum von Gütern, die notwendig sind um ein gesundes und glückliches Leben zu führen” (Zitate von http://www.occupydeutschland.de)

In Ordnung – Klingt vernünftig. Und wollen und fordern darf ein jeder sowieso erst einmal alles mögliche – weil wir uns in der Bundesrepublik Deutschland befinden; inmitten einer freien und offenen Gesellschaft, die selbstverständlich auch ihre Fehler hat. Trotz allem leben wir in einer repräsentativen Demokratie, einem Rechtsstaat, der sich schon in seiner Verfassung den Menschenrechten verpflichtet hat und darüber hinaus eine Reihe von Bürgerrechten zu garantieren bestrebt ist.
Hand in Hand mit der Gewährung all dieser Rechte fordert eine solche Gesellschaft aber auch Pflichten ein – denn mit einem allgemeinen Recht auf Freiheit geht immer automatisch die Pflicht eines jeden einzelnen einher, die Freiheit seiner Mitmenschen zu gewährleisten. Natürlich ist diese Pflicht schon wieder eine Einschränkung der individuellen Freiheit. Aber dadurch – und allein dadurch – verdient man sich den Schutz seiner eigenen Rechte durch den Staat, der diese Gesellschaft in ihrem Innersten erst zusammenhält.

Das bedeutet: Wer sich an den Rechten eines freien Staates labt, der darf sich nicht um dessen Pflichten herumdrücken, indem er sich nur jene Gesetze herauspickt, die ihm gerade in den Kram passen, oder von denen er erwartet, dass auch alle anderen sie befolgen.
Nein. Alle Gesetze sind grundsätzlich für jedes Mitglied der Gesellschaft zu akzeptieren.

Zum Bewerten von Zuständen

Aber: Das heißt noch lange nicht, dass man die bestehenden Gesetze – ob im Gesetzbuch fixiert oder ungeschrieben – nicht hinterfragen darf! Natürlich gibt es viele Missstände in Deutschland und natürlich darf man sich auch gegen diese Missstände erheben – unabhängig davon, ob diese Missstände in anderen Gesellschaften “noch viel schlimmer” sind, oder sich die Mitglieder anderer Gesellschaften über unsere Missstände im Vergleich zu ihren eigenen gar “freuen würden”.
Missstände sind nicht relativ zu anderen Missständen zu sehen – allerdings werden Missstände – aber genauso auch positive Zustände – immer abhängig von der momentanen, individuellen Perspektive bewertet.
Und so empfiehlt es sich, einen Zustand als aller erstes von möglichst vielen Blickwinkeln aus zu beleuchten, bevor man sich selbst in unwiderlegbarem Recht sieht und halbblind versucht zur Offensive zu mobilisieren. Zumindest, wenn man unter honorigen Motiven etwas am Status Quo zu ändern gedenkt.
Andernfalls ist es natürlich erfolgsversprechender, seine persönliche Meinung pompös in die Welt hinauszutragen und dabei jede andere Perspektive möglichst subtil auszublenden.

Ich setze jetzt einfach mal dreist voraus, dass ihr von der Occupy-Bewegung euch größtenteils als Verfechter besagter honoriger Motive wähnt.
Daher mein Appell an euch: Schaut um euch!

Zur individuellen Verantwortung

Oder besser noch: Schaut zuerst sogar in euch!
Was sind eure wahren – möglicherweise ja unbewussten – Motive, wenn ihr mit I-Phone, Lacoste-Pollunder und Ray-Ban-Sonnenbrille gegen den “Raubtierkapitalismus” und dessen Strippenzieher demonstriert?
Und wie viele Leute ziehen da mit euch durch die Straßen – sind das wirklich 99 % der Bevölkerung?
Bitte erspart mir an dieser Stelle eure Rechtfertigungen …
… dass erstens ja nicht jeder eurer Demonstranten die Statussymbole der Generation Konsum gen Himmel strecke.
… dass viele ja nur noch nicht den Mut hätten, sich euch auch “auf der Straße” anzuschließen – im Geiste aber voll mit euch und euren Forderungen übereinstimmen.
… dass jene, die tatsächlich am Hungertuch nagen, ja einfach nur nicht mehr die Kraft besäßen, so beherzt wie ihr, die ihr solidarisch für sie einsteht, die Fäuste zu erheben.

Und ja – es mag sein, dass unter euch tatsächlich einige – oder sogar recht viele – Leute sind, die sich ernsthaft Gedanken machen, die echte Vorschläge anzubieten haben, statt nur prinzipiell “gegen alles” zu protestieren.
Und trotzdem kann ich nicht darüber hinwegsehen, dass viele unter euch mehr am Abenteuer des Großstadtcampings interessiert zu sein scheinen, als dass sie sich konstruktiv mit Missständen auseinander setzten.
Hier verpufft so viel Energie zu nichts, als zu weiteren Kosten für den Steuerzahler, der für die Polizeieinsätze zahlt. Verschwendete Energie, die auch sinnvoll eingesetzt werden kann, um Leuten zu helfen, die wirklich unter Armut oder Benachteiligung leiden.
Wenn sich regelmäßig so viele Leute fänden, die zum Beispiel am Flughafen ehrenamtlich neue Einwanderer begrüßen und bei ihren ersten Schritten auf deutschem Boden unterstützen – dem kanadischen Vorbild folgend …
Oder diese vielen Leute sich einfach gegenseitig ihre Hilfe anböten – bei den unterschiedlichsten Angelegenheiten, vom Anstrich fürs Garagentor bis zur Zahnbehandlung für einen Selbstkostenpreis, jeder seinen individuellen Fähigkeiten entsprechend …

Auf der ehrlichen Beurteilung eigener Fähigkeiten baut auch eine realistische Zukunftsvision auf. Ein mäßig begabter Handwerker wird wohl kaum durch einen Großauftrag für ein Staatsmuseum zu Reichtum oder Weltruhm kommen – aber nichtsdestotrotz kann er sich eine einfache Existenz aufbauen, die ihn ein Leben in Zufriedenheit zu führen erlaubt, wenn er seinen Mangel an Fähigkeiten durch Ehrgeiz und Fleiß zu kompensieren weiß.

Deshalb ist der erste Schritt zur individuellen Glückseligkeit immer die Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber.

Zur Problematik des Gleichheitsbegriff

Aber nein – ihr meint, mehr zu erreichen, indem ihr einfach zum kollektiven Nichtstun unter der Fahne des Protests aufruft: ein paar Schlagworte grölt, auf Zustände hinweist, die eh jedem bewusst sind und euch dabei noch darstellt, als seid ihr das Sprachrohr der ganzen Nation. Dabei habt ihr nur Angst, für euch selbst, und zunächst einmal auch zu euch selbst zu sprechen.

Aber ihr seid keine Mehrheit! Die meisten Menschen in diesem Land nämlich sind trotz aller Widrigkeiten der Welt unterm Strich zufrieden mit ihrem Leben – ob ihr´s glaubt oder nicht. Natürlich gibt es Reiche und Arme – aber auch das sind wieder nur Relationen. Denn das, was ihr offenbar als “arm” bezeichnet, ist meist immer noch weit davon entfernt, chancenlos zu sein.
Sicher, noch immer wird man in eine gesellschaftliche Schicht hineingeboren. Aber heutzutage ist es durchaus möglich, sich nach oben zu kämpfen. Nur geht das eben nicht, indem man nur durchschnittlich ist. Und schon gar nicht, indem man hofft, durch blinden aber lauten Protest zu erreichen, dass einem alles zugeworfen wird.

Gleichheit ist schön und gut – der Begriff bedeutet allerdings nicht universelle Identität, sondern bloß Identität in einzelnen Merkmalen. Merkmale, die von euch nicht näher bestimmt werden, wenn ihr diese ominöse Gleichheit fordert.
Im rechtsstaatlichen Sinne meint Gleichheit zunächst einmal Gleichheit vor dem Gesetz – und die haben wir hier in Deutschland. Zwar gibt es auch hier sicher Unterschiede, hervorgerufen durch die Möglichkeit, sich einen teuren Anwalt leisten zu können, oder nicht. Und von äußerlichen Faktoren wie der Haar- und Hautfarbe im Angesicht einer Polizeistreife will ich jetzt gar nicht erst anfangen … Ist aber auch ein Thema, das weniger die Gleichheit vor dem Gesetz, als die Gleichheit vor der ausführenden Gewalt betrifft. Was diesen Missstand nicht akzeptabler macht, wohlgemerkt.

Aber Fakt ist: Von nichts kommt nichts. Und daher hat Ungleichheit auch ihre Berechtigung in einem freien und fairen Staat: Jeder muss seinen Platz finden, es kann nicht jeder gleich viel besitzen, wenn nicht jeder das Gleiche leistet bzw. zu leisten bereit oder in der Lage ist.
Gegen die Unterstützung Benachteiligter ist nichts einzuwenden, im Gegenteil. Die Menschheit sollte sich viel mehr auf ihre Gemeinsamkeiten besinnen und zudem nicht nur aus Mitleid anderen helfen, sondern aus aufrichtiger Mitfreude am Glück seiner Menschengeschwister.

Zum Leistungsbegriff

Aber trotzdem “muss sich Leistung lohnen”, um mal ein klassisch konservatives Argument anzuführen gegen unreflektiert verschwendete Sozialleistungen.
Nur ein solcher, der selbst wenig oder gar keine Leistung erbringt, kommt auf die bizarre Idee, dass jeder unabhängig von der erbrachten Leistung gleichviel bekommen sollte.
Dieses Brüllen nach voraussetzungsloser Gleichheit ist ein klassisches Merkmal der von Nietzsche beschriebenen Sklavenmoral – auch wenn dieser Begriff vielleicht etwas hart klingt. In meinen Augen sowieso treffender wäre die Bezeichnung “Schmarotzermoral” – auch kein schönes Wort, nicht wahr?

An dieser Stelle komme ich nicht umhin, näher auf die Begriffe “Leistungsstärkere” und “Leistungsschwächere” einzugehen, damit das Folgende nicht in einem elitären Sinne missverstanden wird.
Die Frage ist nämlich, was “Leistung” denn eigentlich bedeutet. Und hier habt ihr zweifellos Recht, wenn ihr kritisiert, dass manch einer “da oben” in der Tat nicht durch Leistung dorthin gekommen ist. Manch einer, wohlgemerkt – nicht jeder.

Denn die Leistung, von der hier die Rede ist, ist Leistung zugunsten der Allgemeinheit. Wie gemeinnützig nun aber jede einzelne konkrete “Leistung” wirklich wirkt, ist selten offensichtlich. Und Schwarz-Weiß-Denken ist Fehl am Platz wie so oft. Der Großteil der Leistung an der gesamten Gesellschaft nämlich wirkt auf diese nur mittelbar – und zieht leider häufig auch Nachteile für andere Gesellschaften oder deren Mitglieder mit sich.
Sehr viel Fortschritt – sei es technischer, medizinischer oder auch ideologischer – bedurfte erst vieler Opfer, die sich selten freiwillig gemeldet haben.
Verteufeln ist leicht – aber befriedigende Alternativen bieten die wenigsten an.

Leistungsstärke ist keine einzelne, starre Eigenschaft, die einem konkreten Menschen in seiner Gesamtheit zugesprochen werden kann. Kein Mensch ist durch und durch der Gruppe der Leistungsstarken oder der Leistungsschwachen zuzuordnen.
Vielmehr setzt sich jeder Mensch aus vielen Anteilen der individuellen Leistungsfähigkeit zusammen; Intelligenz, körperliche Kraft, Empathie, Kreativität, Barmherzigkeit – um nur wenige dieser Anteile zu nennen.
Leider ist in unseren Zeiten eine andere Leistungsfähigkeit jene, nach der man uns einzuteilen versucht: Die finanzielle Leistungsfähigkeit. Zwar hängt diese auf lange Sicht gesehen auch von den übrigen Anteilen der Leistungsfähigkeit ab – aber sicher nicht zwangsläufig und in jedem Einzelfall.
Trotz des durchaus zu kritisierenden Übergewichts dieses finanziellen Leistungsbegriffs gegenüber allen anderen menschlichen Leistungsfähigkeiten – auch das monetäre Vermögen hat seine Berechtigung in der momentanen Gesellschaft. Das kann man gutheißen oder verteufeln – eine Realität bleibt es so oder so.

Wenn ich also im Folgenden von Leistung und Gegenleistung, bzw. “Lohn” oder “Vergütung” spreche, dann fließen in diese Ausdrücke alle Aspekte der Leistung mit ein.
Und leistungsstark oder -schwach ist ein jeder immer nur im Bezug auf einen konkreten Anteil seiner Gesamtleistungsfähigkeit, niemals als ganze Person.

Und noch einen Aspekt hat Leistung: Und zwar die Unterscheidung zwischen Potential und Verwirklichung, zwischen Leistungsfähigkeit und realer Leistung. Aber auch zwischen Zielsetzung und Ergebnis einer Tat. Und nicht die Intention macht ein Handeln gut, sondern das Ergebnis. Der Versuch etwas zu tun darf gerne gewürdigt werden – aber er ist doch nicht gleichzusetzen mit der vollendeten, von Erfolg gekrönten Ausführung des Versuchten.
Nur weil jemand selbst nichts dafür kann, geringere körperliche oder intellektuelle Möglichkeiten zu haben als ein anderer, heißt das nicht, dass man jenem deshalb seine geringere Leistung gleich hoch vergütet, wie diesem seine höhere Leistung.

Zur Möglichkeit eines Wandels

Was sich verbessern muss in unserer Gesellschaft, ist die Einstellung der Leistungsschwächeren den Leistungsstärkeren gegenüber – aber auch umgekehrt, dass die Leistungsstarken den Schwächeren freiwillig helfen – ohne sich dabei selbst in den (finanziellen oder eben auch emotionalen) Ruin zu stürzen, aber dennoch auch indem sie das ein oder andere Opfer bringen, indem sie sich selbst im Maßhalten üben, um so etwas von ihrem Überfluss für die anderen übrig zu lassen.

Es sei angemerkt, dass es schon heute sowohl unter den Leistungsschwächeren, als auch unter den Stärkeren viele Leute gibt, die so eine gesunde Einstellung haben – allen ihren Mitmenschen gegenüber.
Aber es ist zu hoffen, dass die Zukunft noch viele mehr solcher Leute hervorbringt.

So eine Einstellung jedoch muss von innen kommen, sich aus eigenem Denken entwickeln. Aufzwingen kann man sie niemandem, ins Hirn hinein argumentieren kann man sie auch niemandem. Und mit Sicherheit wird kein öffentlicher Protest die Stärkeren zur Solidarität mit den Protestierenden bewegen, wenn diese Protestierenden die Stärkeren als ihr Feindbild zeichnen. Und die Schwächeren würden ihre irrationale Einstellung sicher nicht ändern, hätten sie mit ihren Protesten echten Erfolg – bekräftigte sie dieser Erfolg doch erst Recht in ihren schrägen Vorstellungen von einer sozialen “Gerechtigkeit” auf Kosten der Stärkeren.

Nicht jeder, aber einige Menschen haben es noch selbst in der Hand, ob sie eher zu den Leistungsstärkeren oder zu den Leistungsschwächeren zu zählen sein werden. Dafür gilt es, seine Talente zu finden, zu fördern und letztendlich auszuschöpfen. Das Fördern von Talent darf auch durch Mitmenschen geschehen – aber darauf verlassen sollte man sich nicht, Eigeninitiative ist auch hier gefragt.
Nur wenig ist trauriger, als verschwendetes Talent.

Leistung also hat vielerlei Gesichter. Aber Faulheit ist keines davon. Und das Abwälzen der Verantwortung, das Suchen der Schuld immer bei den anderen – das sind am wenigsten Erscheinungen von Leistung, sondern viel mehr Erscheinungen der Egomanie.

Leistung der anderen korrekt zu beurteilen, ist deutlich schwieriger, als von der eigenen Leistung oder Nicht-Leistung zu wissen. Aus Selbstschutz aber versucht man leider nur zu gerne, die eigene Leistung schön zu reden und die der anderen leichtfertig in schwarz und weiß einzuteilen.

Aber noch einmal: Schwarz-Weiß gibt es nicht – es gibt nur Vielheit, deren einzelne Bestandteile in unendlich komplexen Beziehungen zueinander stehen und nur in ihrer Gesamtheit die wahre Einheit ausmachen.

Die Welt ist nicht einfach. Und schon gar nicht die Bewertung menschlichen Verhaltens und die damit einhergehende Leistung oder Nicht-Leistung für die Gesellschaft.

Wer sich hierüber also ein abschließendes Urteil erlaubt, von dem erwarte ich, dass er seine Argumente strukturiert und nachvollziehbar darlegen kann und nicht nur durch geschickte Kommunikation möglichst viele Befürworter seiner Sichtweise gewinnen kann.

Zur Frage nach “der Lösung”

Ich selbst habe bei weitem keine Lösungen für die großen Probleme – stattdessen bemühe ich mich in meinem persönlichen Umfeld das zu tun, was ich für gut und richtig halte. Auch versuche ich niemandem meine Meinung aufzuzwingen – im Gegenteil versuche ich die abweichenden Meinungen anderer zu verstehen und zu begreifen, wie diese Ansichten entstanden sind.
Und meine eigenen Sichtweisen propagiere ich durch nichts anderes, als durch das Bemühen, meinen Mitmenschen ein gutes Vorbild zu sein. Ohne dabei jene zu verachten, die meinen Prinzipien nicht folgen – denn jeder muss seinen eigenen Weg finden.

Aber wo anderen geschadet wird durch schräge Weltbilder, da bin ich froh, dass es den Staat gibt, der einiges Leid zu verhindern weiß, das aus solcherlei Schrägdenken entspringen könnte.

Und um Folgen abschätzen zu können, konträre Meinungen und befremdliche Auffassungen auf ihre Fruchtbarkeit wie auf ihr Gefahrenpotential hin erforschen zu können, da muss man sich auch mit Sichtweisen auseinander setzen, die auf den ersten Blick keines Gedankens würdig erscheinen mögen.
Doch in dem Wissen, dass Missverständnisse überall auftreten, wo Menschen kommunizieren, kann es nicht schaden, allen ein Ohr zu schenken – sofern auch beim Gegenüber die Bereitschaft zum Diskurs da ist.

Und so möchte ich auch euch begreifen, also sagt mir: Was wollt ihr? Was genau fordert ihr? Was sind eure Vorschläge?

Aber vor allem: Was seid ihr selbst bereit zu tun? Was versprecht ihr beizusteuern? Was verlangt ihr euch selbst ab?

Die Essenz eines Protestes gegen die Macht des Geldes ist schließlich ganz einfach zu formulieren: Schafft das Geld ab!
Ob ein solcher “geldfreier Zustand” nun überhaupt möglich oder erstrebenswert ist, sei mal dahingestellt.
Aber das Geld allumfassend und endgültig abzuschaffen – das ist kein von oben durchzuführender Akt, sondern wenn überhaupt ein Prozess. Ein Prozess, der natürlich seine Zeit brauchen wird, um nicht als plumper Ideologiewechsel durch eine Revolution nach einer absehbaren Zeit schon wieder von neuen Machthabern missbraucht zu werden. Will man die Dinge überstürzen, folgt am Ende nur Umsturz auf Umsturz.
Nicht das Geld selbst ist das Problem – sondern der Umgang damit und seine Bedeutung für das Denken vieler Menschen.
Verschwindet das Geld von jetzt auf gleich, sucht sich dieses Denken doch sofort einen Ersatz – ausgehend vom Tauschhandel mit Gütern und Dienstleistungen wird mit der Zeit schlichtweg wieder ein Geldsystem entstehen.

Also bedarf der Prozess, die Macht des Geldes zu überwinden, so viel Zeit, wie es eben benötigt, bis der Wunsch nach einer geldlosen Weltgesellschaft sich im Geiste jedes einzelnen Menschen von innen manifestiert hat. Erzwingen von außen lässt sich dieser Wunsch nicht.
Die wirkungsvollste Methode, Menschen von der Entbehrlichkeit des Geldes zu überzeugen, ist, selbst als Vorbild voranzugehen – indem man sich an keiner Art von Konsum beteiligt – und man es dabei trotzdem schafft, den Eindruck zu vermitteln, rundum glücklich zu sein.
Keine leichte Aufgabe. Theoretisch vielleicht umsetzbar – praktisch jedoch für die nächsten Jahrzehnte wahrscheinlich nahezu unmöglich zu realisieren.
Doch eine behutsame Annäherung an dieses Ideal wäre zumindest schon ein Schritt in die richtige Richtung.
In diesem Sinne: Bitte denkt noch einmal darüber nach, ob euer Weg des Protests der sinnvollste ist!

In Achtung jeden guten Willens – in Verachtung jeder Scheinheiligkeit,
Janosch d. W.

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