15. Dezember – die Tugend der Schicksalsergebenheit
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Dieses war im Anfang bei Gott.
Alles ist durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht erfasst.
Die vierte und letzte Tugend, die der urchristliche Schulungsweg erfordert, die ‚Schicksalsergebenheit‘, ist die wohl am schwierigsten zu Pflegende: eine völlige Ergebenheit ins Schicksal, was da auch komme – alles muss als genau richtig empfunden werden, als von Gottes Weisheit geführt, wenn diese Weisheit auch nicht immer verstanden werden kann durch den Menschen. ‚Gottes Ratschluss ist nicht erforschbar und seine Wege sind unergründlich.‘ – dieser Spruch darf zwar nicht vom Denken abhalten, jedoch soll er stets als ‚letztes Sicherheitsnetz‘ gewusst sein, für jeden Fall, wo die rein-menschliche Perspektive schlichtweg zu begrenzt ist, um alle Konsequenzen eines Ereignisses – sei es noch so ’schlimm‘ – zu überschauen. Es ist also ein Radikal-Optimismus, der nicht zwangsläufig ‚aus Erfahrung‘, sondern der grundsätzlich ‚aus Methode‘ gewählt wird.
Doch auch ‚aus Erfahrung‘ wird man bald schon optimistisch sein. Spätestens, wenn man beginnt ganz bewusst das alltägliche Leben mit seinen Begegnungen und Geschehnissen im Kontext des eigenen Schicksals zu sehen. Es fallen einem ‚unbedeutende Einzelheiten‘ auf, die sich zu Mustern zusammenfügen, je öfter man auf sie achtet. Daraus entstehen keine objektiven Erkenntnisse, von denen es sinnvoll wäre, mit anderen zu sprechen. Diese Schicksalsmuster sind nur für einen selbst, seinen Mitmenschen sollte man lieber deren eigene Schicksalsmomente aufzeigen und womöglich überhaupt erst ‚bereiten‘. Wie von selbst wird sich mit der Zeit aus dieser Selbstbetrachtung vor dem ‚Schicksal-Kontext‘ ergeben, dass sich auch die eigenen Erlebnisse der Vergangenheit mit neuem Sinn erfüllen, den man zuvor schlichtweg übersehen hat – vielleicht gar nicht hätte sehen können und sollen, im damaligen Lebensabschnitt, um später eine wichtige Einsicht in der Rückschau zu erlangen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Gegenwart hat.
Im heutigen Textabschnitt zeigt sich nun die Schicksalsergebenheit Jesu Christi vor allem da, als er demonstrativ seine Rolle für die Menschheitsentwicklung und für die Erfüllung der Mission des israelitischen Volkes wahrnimmt: Was ihm bestimmt ist, das weiß er – und er nimmt es an. Und dazu folgt er ganz bewusst den vorgegebenen Bahnen, die sich aus den Prophezeiungen der alten Prophetenschriften der Israeliten ergeben.
46Einige aber von ihnen gingen hin zu den Pharisäern und sagten ihnen, was Jesus getan hatte.
47Da versammelten die Hohenpriester und die Pharisäer den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen.
48Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute.
49Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisst nichts;
50ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.
51Das sagte er aber nicht von sich aus, sondern weil er in dem Jahr Hoherpriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk
52und nicht für das Volk allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen.
53Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.
54Jesus aber ging nicht mehr frei umher unter den Juden, sondern ging von dort weg in eine Gegend nahe der Wüste, in eine Stadt mit Namen Ephraim, und blieb dort mit den Jüngern.
55Es war aber nahe das Passafest der Juden; und viele aus der Gegend gingen hinauf nach Jerusalem vor dem Fest, dass sie sich reinigten.
56Da fragten sie nach Jesus und redeten miteinander, als sie im Tempel standen: Was meint ihr? Er wird doch nicht zum Fest kommen?
57Die Hohenpriester und Pharisäer aber hatten Befehl gegeben: Wenn jemand weiß, wo er ist, soll er’s anzeigen, damit sie ihn ergreifen könnten.
Sechs Tage vor dem Passafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den Jesus auferweckt hatte von den Toten.
2Dort machten sie ihm ein Mahl und Marta diente ihm; Lazarus aber war einer von denen, die mit ihm zu Tisch saßen.
3Da nahm Maria ein Pfund Salböl von unverfälschter, kostbarer Narde und salbte die Füße Jesu und trocknete mit ihrem Haar seine Füße; das Haus aber wurde erfüllt vom Duft des Öls.
4Da sprach einer seiner Jünger, Judas Iskariot, der ihn hernach verriet:
5Warum ist dieses Öl nicht für dreihundert Silbergroschen verkauft worden und den Armen gegeben?
6Das sagte er aber nicht, weil er nach den Armen fragte, sondern er war ein Dieb, denn er hatte den Geldbeutel und nahm an sich, was gegeben war.
7Da sprach Jesus: Lass sie in Frieden! Es soll gelten für den Tag meines Begräbnisses.
8Denn Arme habt ihr allezeit bei euch; mich aber habt ihr nicht allezeit.
9Da erfuhr eine große Menge der Juden, dass er dort war, und sie kamen nicht allein um Jesu willen, sondern um auch Lazarus zu sehen, den er von den Toten erweckt hatte.
10Aber die Hohenpriester beschlossen, auch Lazarus zu töten;
11denn um seinetwillen gingen viele Juden hin und glaubten an Jesus.
12Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme,
13nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!
14Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht:
15»Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.«
16Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan hatte.
17Das Volk aber, das bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat.
18Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan.
19Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.
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