6. Dezember – Brot aus dem Himmel
Im Urbeginn war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Dasselbe war im Urbeginn bei Gott.
Alle Dinge sind durch dasselbe geworden, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
In ihm war Leben, und das Leben ward das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht erfasst.
Der sechste Abschnitt soll nun erlebt werden als die Offenbarung der ‚geistigen Speise‘, die von Christus ausgeht für alle, die an ihn glauben. Wie also Jesus Christus seinen Jüngern und allen, die ihm zuhören, klar macht, dass es für die Seele des Menschen immer der Geist ist, der über der Materie steht, und niemals umgekehrt – genauso beginnt der Christus in der Seele zu lehren die Nahrung des Geistes, bis immer mehr Seelenanteile satt werden können vom bewusst erfassten ‚Wort Gottes‘ allein, die überkommenen, niederen Gelüste immer mehr entzaubernd, bis diese sich einfach auflösen irgendwann und bald für alle Zeit vergangen sein werden in der geläuterten Seele.
In diesem sechsten Abschnitt weist Jesus Christus deshalb immer wieder daraufhin, dass es nicht die äußerliche ‚Speise‘ ist, die der Mensch als Seele wahrhaft braucht, sondern dass es die unendlich vorhandene ‚Geistes-Speise‘ ist, durch die ein Mensch die seelische Erlösung findet. So ist es durchaus zunächst harte Selbstzucht, wenn man weltliche Güter bestrebt ist zuerst denen zu überlassen, die noch nicht aus der unendlichen Fülle des Geistes zu leben gelernt haben. Diese Selbstzucht eines dem Christus Nachfolgenden besteht deshalb lange Zeit über gerade darin, sich dieser ‚Geistes-Speise‘ bewusst zu werden, an ihre Existenz wirklich zu glauben lernen, auch schon, bevor man selbst ihrer in vollem Umfang teilhaftig werden kann – bis hin zum wortwörtlichen Teilhaftigwerden etwa im Sinne eines beeindruckenden Fasten-Könnens oder dergleichen; das ist erst, wenn sich bewusst Seelisches bis in die Materie hinein niederschlägt. Jeder kleine Schritt dahin ist aber bereits kostbar. Und auf dem Weg lernt der Christ dann auch die eigentliche Bedeutung des christlichen ‚Abendmahls‘ als Ritual zur Bewusstmachung einer kosmischen Tatsache: dass nämlich alle Speise und aller Trank auf Erden in Wahrheit ‚Christi Leib und Blut‘ sind, sobald man sich der Tatsache bewusst ist, dass der Christus seit dem Mysterium von Golgatha der ‚Geist dieser Erde‘ ist; so wie auch das menschliche ‚Ich‘ in einen Leib einzieht, wenn es unter Schmerzen der Mutter in die Erdenwelt hinein geboren wird. Die Jordantaufe also war für unsere Mutter Erde die ‚Empfängnis‘, die Kreuzigung aber war die ‚Geburt‘ des kosmischen Christus, des ’selbstbewussten Erdenbewusstseins‘, die Stiftung der Einheit aller Menschen und der ganzen lebendigen Erde in Christus. Aber wie der Mensch sich noch nicht von Geburt an als ‚Selbst‘ erkennt, so bedarf es auch für die Erdenmenschheit noch Zeit, bis sie sich selbst ganz erkenne.
Und auch heute sei es wiederholt: Beim Lesen von den Taten Jesu Christi bewahre man immer im Hinterkopf: Alles, was damals in Palästina sich ereignete, ist in jede lebende Seele buchstäblich eingeschrieben, wie auch sonst alles, was je passiert ist und noch passieren wird auf Erden und in den Himmeln. In diesem Sinne ist jede Menschenseele gleich. Doch unterscheiden wir alle uns voneinander dadurch, dass jeder für sich selbst den Schwerpunkt wählt, dass jeder selbst entscheidet, welche Geschehnisse er in seiner Seele bewusst auferstehen lässt und welche nicht. Wer zum Mysterium des wahren Christentums vordringen will, der wird als Dreh- und Angelpunkt seines Seelenlebens die Spiegelung dessen wählen, was sich im Palästina der Zeitenwende abgespielt hat im Wirken Jesu Christi, des einziggeborenen Sohnes des allmächtigen Vaters in den Himmeln. Das Evangelium nach Johannes schildert diese Geschehnisse genau so, wie sie sich in jeder Menschenseele wiederfinden lassen, als wäre man selbst im Fleische dabei gewesen damals.
24Als nun das Volk sah, dass Jesus nicht da war und seine Jünger auch nicht, stiegen sie in die Boote und fuhren nach Kapernaum und suchten Jesus.
25Und als sie ihn fanden am andern Ufer des Sees, fragten sie ihn: Rabbi, wann bist du hergekommen?
26Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von dem Brot gegessen habt und satt geworden seid.
27Schafft euch Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die bleibt zum ewigen Leben. Die wird euch der Menschensohn geben; denn auf dem ist das Siegel Gottes des Vaters.
28Da fragten sie ihn: Was sollen wir tun, dass wir Gottes Werke wirken?
29Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Das ist Gottes Werk, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.
30Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du?
31Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht: »Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.«
32Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.
33Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.
34Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.
35Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
36Aber ich habe euch gesagt: Ihr habt mich gesehen und glaubt doch nicht.
37Alles, was mir mein Vater gibt, das kommt zu mir; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.
38Denn ich bin vom Himmel gekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.
39Das ist aber der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich nichts verliere von allem, was er mir gegeben hat, sondern dass ich’s auferwecke am Jüngsten Tage.
40Denn das ist der Wille meines Vaters, dass, wer den Sohn sieht und glaubt an ihn, das ewige Leben habe; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.
41Da murrten die Juden über ihn, weil er sagte: Ich bin das Brot, das vom Himmel gekommen ist,
42und sprachen: Ist dieser nicht Jesus, Josefs Sohn, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wieso spricht er dann: Ich bin vom Himmel gekommen?
43Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Murrt nicht untereinander.
44Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.
45Es steht geschrieben in den Propheten (Jesaja 54,13): »Sie werden alle von Gott gelehrt sein.« Wer es vom Vater hört und lernt, der kommt zu mir.
46Nicht als ob jemand den Vater gesehen hätte außer dem, der von Gott gekommen ist; der hat den Vater gesehen.
47Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben.
48Ich bin das Brot des Lebens.
49Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben.
50Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe.
51Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.
52Da stritten die Juden untereinander und sagten: Wie kann der uns sein Fleisch zu essen geben?
53Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohns esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch.
54Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.
55Denn mein Fleisch ist wahrhaftig Speise, und mein Blut ist wahrhaftig Trank.
56Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.
57Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich lebe um des Vaters willen, so wird auch, wer mich isst, leben um meinetwillen.
58Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und gestorben sind. Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.
59Das sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte.
60Viele nun seiner Jünger, die das hörten, sprachen: Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören?
61Da Jesus aber bei sich selbst merkte, dass seine Jünger darüber murrten, sprach er zu ihnen: Ärgert euch das?
62Wie, wenn ihr nun sehen werdet den Menschensohn auffahren dahin, wo er zuvor war?
63Der Geist ist’s, der lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben.
64Aber es gibt einige unter euch, die glauben nicht. Denn Jesus wusste von Anfang an, wer die waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde.
65Und er sprach: Darum habe ich euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben.
66Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm.
67Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt ihr auch weggehen?
68Da antwortete ihm Simon Petrus: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens;
69und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.
70Jesus antwortete ihnen: Habe ich nicht euch Zwölf erwählt? Und einer von euch ist ein Teufel.
71Er redete aber von Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. Der verriet ihn hernach und war einer der Zwölf.
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